Weil es nicht nur um Liebe geht: New Adult Kritik + Buchtipps:)

Kommentar & Buchtipps von Emma

Wer auf Social Media in der Buchbubble unterwegs ist, sieht es in jeder Ecke: New Adult. Pastellfarbene Cover, englische Titel, dramatische Love-of-my-Life-Geschichten.

Und auch in den großen Buchläden gibt es ganze Tische mit ein und demselben New-Adult-Buch. Ganz klar: New Adult ist DAS Genre. Und auch wenn ich ab und an gern mal New Adult lese, ist es definitiv nicht mein Lieblingsgenre. Vielleicht liegt es daran, das die Protas älter sind als ich, dass ihre Lebenssituation eine ganz andere ist – aber vielleicht liegt es auch einfach daran, dass NA in meinen Augen einige Probleme hat.

NEW ADULT – WAS IST DAS EIGENTLICH?

Für so einen New Adult-Bestseller gibt es eigentlich ein ganz einfaches Rezept:

Man nehme eine ✨️tragische Vergangenheit✨️, wahlweise ein Familiendrama oder eine problematische Exbeziehung. Nun füge man eine unschuldige Häschen-Protagonistin und einen düsteren Badboy mit dem weichen Kern, die sich ✨️nicht leiden können✨️, aber gezwungen werden, miteinander etwas zu tun. (Es gibt nur ein Bett!) Und dann: Ich will ja eigentlich keine Beziehung, hab schon genug Drama im Leben aber er*sie ist ja ✨️so anders✨️ und so habe ich mich ja noch nie gefühlt! Danach: S*x (omg, wie konnte es dazu kommen, das wollte ich doch nicht) und man raubt den Protas die Fähigkeit, miteinander zu reden. Irgendwann tun sie es dann wieder, sie heilen sich gegenseitig alle Traumata, doch plötzlich: Eine Tragödie. Nein, also mit dir kann ich jetzt echt nicht zusammen sein, ✨️lasst uns Freund*innen bleiben✨️ und ein ✨️dramatischer Breakup-Moment feat. sieben Wochen Herzschmerz✨️ Oh nein, es tut so weh! Und wer bin ich überhaupt ohne ihn? Er ist doch ✨️der Eine✨️! Und schwupps, sie sind wieder zusammen und glücklich bis in die Ewigkeit. ✨️✨️happy end✨️✨️

Das ist jetzt natürlich eine etwas überspitzte Darstellung, aber leider stimmt es meistens und alle NA-Bücher sind so oder so ähnlich aufgebaut. Da hätten wir auch schon das erste Argument, warum NA nicht so krass ist, wie es scheint, aber die Liste geht noch weiter.

WAS IST MEIN PROBLEM MIT NEW ADULT?

Ich werde jetzt einfach die vier Dinge aufzählen, die mich bei New Adult am meisten stören. Natürlich sind das nicht Probleme, die nur NA-Bücher haben, aber sie sind hier einfach besonders präsent.

  • {New Adult reproduziert viele Klischees}

Besonders bei NA sehen die meisten Pärchen so aus: Good Girl und Bad Boy. Und wenn wir da etwas genauer drüber nachdenken, ist das ✨️Patriarchat✨️. Frauen werden in dieser Gesellschaft kleingemacht, sollen brav sein. Und Männer werden mächtig, stark, beschützend dargestellt. Welches brave Mädchen träumt da denn nicht davon, einen mächtigen Mann unter ihre Fittiche zu stellen? Aber seien wir ehrlich: Das brauchen wir nicht. Das bringt uns nicht weiter.

Was wir aber wirklich brauchen, sind starke vielfältige Frauenrollen. Frauen, die gerne S*x haben. Frauen, die uns Vorbilder sein können. Das gilt auch für die Männerrollen: Wir brauchen da mehr Vielfalt. Das Bild des Bad Boys und, als Kontrast vielleicht noch das des Good Guys sind so verbreitet, dass uns die Graustufen fehlen.

  • {New Adult hat ein Problem mit Diversität}

Und wo wir gerade schon bei Vielfalt sind, kommen wir doch direkt zu meinem zweiten Punkt. Denkt doch einmal nach: Wann habt ihr in einem „klassischen“ NA-Buch das letzte Mal ein queeres Pärchen gelesen? Klar, es gibt queeres NA, aber das wird ganz anders wahrgenommen und vermarktet. Das gleiche gilt für PoC. Klar, es gibt oft einen schwulen besten Freund und vielleicht ja auch mal eine Schwarze Nebenfigur. Aber als Hauptfigur? Mir fallen, wenn ich eine Weile darüber nachdenke, zwei Personen ein. Okay, weiße Leute sind ja schön und gut, aber wir sind hier in der Realität. Und die Welt besteht nicht nur aus weißen privilegierten Student*innen.

Die Vielfalt fehlt außerdem beim Aussehen der Protas. Ich will eine mollige Protagonistin! Mit Cellulite! Einen Bookboyfriend ohne Sixpack! Mit Akne! Das Aussehen von NA-Protas wird sehr stark idealisiert, und so sehen wir nicht uns in den Büchern, sondern Wunschbilder. Und wie sollen wir da eine gesunde Beziehung zu unserem Körper aufbauen, wenn die Repräsentation fehlt?

  • {New Adult vermarktet Liebe als Allheilmittel}

Als eure liebste aspec-Bloggerin von nebenan habe ich ein riesiges Problem damit, dass Liebe in NA-Büchern immer als Endgame dargestellt wird. Denn wenn du dich verliebst, ist ja alles gut, oder? Nein, ist es nicht. Liebe heilt keine Wunden. Liebe lässt Traumata nicht verschwinden. Liebe eliminiert deine Vergangenheit nicht. Ja, vielleicht kann Liebe Kraft spenden, oder Hoffnung, und das ist ja schön und gut. Ich freu mich für euch, okay? Aber Süße, wenn du ein paar verdammt traumatische Erlebnisse in deiner Vergangenheit hattest, dann such dir einen Therapieplatz! Therapie ist ein viel zu tabuisiertes Thema, und sind Bücher wohl nicht komplett unschuldig. Wie sollen wir lernen, dass es okay ist, uns Hilfe zu holen, wenn all die Bücher doch immer nur sagen: Verlieb dich, und alles wird gut? Nein, wird es nicht. DU musst dich heilen, Schätzchen. Das kann niemand anderes.

  • {New Adult romantisiert Traumata}

Punkt vier meiner Liste hängt damit eng zusammen. NA-Protas erleben schlimme Dinge. Sie verlieren Angehörige, haben Depressionen erleben toxische Beziehungen. Das sind alles wirklich wichtige Themen und es ist toll, dass NA Raum dafür gibt. Aber leider habe ich oft das Gefühl, dass diese Themen nur im Buch sind, um die Spannung zu steigern. Dass ein Selbstmordversuch romantisiert wird, wenn sie ihn findet und rettet. Wenn er sie aus dem Loch holt, ihr den Weg zurück ins Leben zeigt. Wenn ein Charakter Opfer von Missbrauch wurde, nur damit man sagen kann: „Nein, ich kann das mit der Beziehung nicht.“ Wenn eine Depression als Cliffhänger benutzt wird. Aber Leute, das sind Traumata. Traumata. Keine Stilmittel. Traumata verschwinden nicht, wenn du ihm deine Liebe gestehst. Und Heilung ist ein Prozess, ein Prozess mit ups and downs. Das ist kein Spaziergang. Okay? Also lasst eure NA-Protas heilen und zwängt sie nicht in eine Beziehung, um ihr Trauma als Stilmittel zu benutzen.

GENUG GEMECKERT!

Kommen wir zum positiven und spaßigen Teil dieses Blogbeitrags. Denn ich finde, es gibt da so einen Wandel im NA-Wald und ich möchte euch einige Bücher empfehlen, die New Adult allererster Sahne sind und viele wichtige Themen auf wirklich berührende Weise thematisieren. Manege frei!

Sarah Sprinz: Dunbridge Academy – Anyone

Ich empfehle euch dieses Buch, weil Sarah Sprinz darin eine toxische Beziehung thematisiert. Und, weil sie eine Protagonistin geschaffen hat, die sich ganz allein da hinauskämpft. 

Mounia Jayawanth: Nightsky full of Promise

Eine Protagonistin of Color, okay? Ein Buch, das Rassismus thematisiert. Endlich. Endlich. Endlich.

Sarah Sprinz: What if We Trust

Dieses Buch empfehle ich euch wegen Sarah Sprinz‘ tollem und behutsamen Umgang mit (SPOILER) Depressionen, Sucht und Suizid. Oh, und eine cute Lovestory ohne viel Tamtam bekommt ihr auch. 

Mehwish Sohail: Like Water in Your Hands

New Adult, das in Wien spielt – mit zwei Pakistani-Protas und generationsübergreifenden Traumata und THERAPIE? Yes please! 

Sarah Sprinz: What if We Stay

Toxische Männlichkeit ist so ein Thema, das sollte in jedem Buch aufgegriffen werden. Und Sarah Sprinz schafft es immer wieder. Außerdem im Packungsumfang enthalten: M!ssbrauch in Beziehungen, Umgang mit S*x, Genderrollen-Tausch.

Mounia Jayawanth: Starlight full of Chances

Dieses Buch ist alles. Und nur, um ein paar Stichworte zu nennen: Catcalling. S*xuelle Belästigung. Feminismus. Rassismus. Asian Rep. Half-Egypt Rep. Yes, yes, yes! 


So. Ich hoffe natürlich, dass ihr euch meine Buchtipps alle aufgeschrieben hat (Pssst: Fast alle gibt es bei Spotify als Hörbuch) und vielleicht NA mal eine (zweite) Chance gebt!

Viel Spaß beim Lesen und Hören!

        xx Emma

PS: Auch wenn man das vielleicht nicht erwartet, hat der Teil mit den Buchtipps am meisten Zeit in Anspruch genommen. Bei vielen Büchern habe ich hinterfragt, warum genau jetzt einige Themen aufgegriffen wurden. Ob das Trauma jetzt zu sehr romantisiert wurde. Außerdem habe ich echt lange darüber nachgedacht, ob ich ein Buch mit viel lästiger Miscommunication, dafür aber mit Schwarzer Prota empfehlen möchte. Und ich habe darüber nachgedacht, ob ich auch queeres NA in die Liste tue oder warum ich es nicht mache. (Ich habe mich dagegenentschieden, da queeres NA thematisch dann doch noch mal ein Unterschied zu hetero-NA ist.) Es gibt noch ein paar andere Bücher, die ich ursprünglich empfehlen wollte und dann doch gestrichen habe und andere, die im letzten Moment dazugekommen sind. Was ich damit sagen will (genau Emma, was will ich damit sagen?): Das ist alles sehr verzwickt und ich habe wirklich ewig über all das nachgedacht, also enjoy it! :)

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Kommentare

Mia
Vor 2 Jahr

Toller Beitrag. Ich bin froh, dass mittlerweile besonders das deutsche New Adult einen Wandel erlebt. Bei den amerika ischen/ englischen Autor*innen ist das noch mal krasser mit dem toxischen…
Ein Buch was mir auch positiv aufgefallen ist, war „Right here- Stay with me“ (eventuell Spoiler jetzt) die beiden haben sich nachdem sie zusammen gekommen sind nicht getrennt sondern einfach eine gesunde Beziehung gehabt und einen Konflikt im Leben des Jungen gemeinsam überwältigt. Natürlich hat sie nichts geheilt, sie war einfach die ganze Zeit für ihn da, also gab es weder den Punkt, dass die nur auf „Sex“ aus sind, noch dass die irgendwann sich trennen. Ich fand das auch echt schön mal

Merleeeee
Vor 2 Jahr

Emma, ich bin ganz deiner Meinung! NA ist, was die meisten Bücher angeht, sehr klischeehaft und quasi alles was du hier gesagt hast🥲. Es ist doch eigentlich voll traurig, ich mein so schwer ist es nun auch wieder nicht, mal keinen bösen, sexistischen BadBoy als Love interesst zu nehmen, wie man an den Büchern von Sarah Sprinz sieht, das sind eigentlich die einzigen NA Bücher, bei denen ich jedes Mal weiß, dass ich mich nicht über irgendeine homophobe, rassistische, oder sexistische Aussage ärgern werde. Es ist eigentlich voll schade, weil wenn alle so tolle Bücher schreiben würden wir sie, wäre das ganze Genre so tauusendmal besser!!!!!

Emma
Vor 2 Jahr

Wenn alle NA-Autor*innen schreiben würden wie Sarah Sprinz, dann wäre dieser Beitrag halt sowas von überflüssig😍💜✨️

Juuhuunnuu
Vor 2 Jahr

Danke, Emma.

Ich habe das Genre mit What if drown vor knapp einem Jahr für mich verabschiedet. Nach einer sehr kurzen Kennenlernphase, ehrlich gesagt, aber ich habe einfach gemerkt, dass ich aus dem 1000x gesehenen Pastellcovern nicht viel mehr als ein Augenrollen mitnehmen kann.
(Wobei ich mit Sarah Sprinz wohl noch harmlosere Vertretung erwischt habe, da haben mich die amerikanischen Medizinstudent*innen aber auch schon genervt.)

Emma
Vor 2 Jahr

Jetzt hätte ich fast als Namen Johanna hingeschrieben, dabei bin ich doch Emma. Jedenfalls Johanna, du hast mit What if We Drown definitiv Sarah Sprinz' schlechtestes Buch erwischt, das mochte ich auch nicht. ✨️Kommunikation ist alles✨️