Dreivierteltot (Christina Stein)

Veröffentlicht am 13. April 2022 um 21:50

Rezension von Emma

„Du bist nicht tot, du bist dreivierteltot“ 

Dieser Satz beschreibt das Buch einfach perfekt.

Doch auf wen bezieht er sich?

…auf die Protagonistin Kim, die mit ihrem Freund durch die schottischen Highlands wandert?

…auf ihren Freund Jon, der in letzter Zeit irgendwie seltsam ist?

…auf den mysteriösen Sky, dem Kim auf der Wanderung begegnet und Kims Alarmglocken schrillen lässt?

…auf Kims beste Freundin Emma, die ihr rätselhafte WhatsApp-Nachrichten schreibt?

…auf jemand von den ganzen Leuten, die Kim auf der Wanderung trifft?

…oder doch auf die Leiche in dem seltsam vertrauten Kleid, die auf einmal mitten auf dem Wanderweg liegt?

„Dreivierteltot“ gehört zu den Büchern, die sich einfach nicht in Worte fassen lassen, aber ich versuche es trotzdem. Ich möchte aber noch kurz erwähnen, dass ihr nicht abschrecken lassen sollt, wenn hier jetzt auch viel Kritik steht, da ich Thriller einfach viel strenger bewerte als andere Genres und auch viel höhere Erwartungen habe. (Siehe auch: Die Thriller-Regeln in der Seitenleiste)

Naja, jedenfalls:

Die Idee hinter diesem Buch ist grandios und ich war wirklich total geflasht, was für ein Potential in diesem Buch steckt. Die Wanderung, Schottland, die Leiche, die Charaktere und noch einige mysteriösen Dinge, die ich nicht spoilern will – alles passt perfekt zusammen und erzeugt eine wahnsinnig tolle mysteriöse Atmosphäre, die mich absolut vom Hocker gerissen hat.

Außerdem gab es definitiv viele unerwartete Wendungen in dem Buch, mit denen ich absolut nicht gerechnet habe. Und das will etwas heißen, da ich bei den meisten Thrillern schon eine Vorahnung habe, was als nächstes passiert. Vor allem das Ende ist wahnsinnig spannend und kommt ziemlich aus dem Nichts.

Während dem Lesen hätte ich das Buch nicht so gut bewertet wie jetzt, zwei Tage später, weil ich einfach die falschen Erwartungen hatte. Bei Thrillern brauche ich es einfach, dass ich miträtseln kann, dass es versteckte Hinweise gibt, die mich auf richtige oder falsche Fährten locken, und hier war es irgendwann schon offensichtlich, wer der bzw. die Bösewicht*in war.

Im Nachhinein betrachtet braucht das Buch diese Art von Spannung aber gar nicht, da der überraschende Teil nicht auf der Seite des Bösewichts ist. Das hat den Plottwist nochmal unerwarteter gemacht und, da es einfach mal etwas komplett Anderes war, schwerer vorherzusehen und abzuschätzen, wie es weitergeht.

Trotzdem habe ich daran auch etwas zu kritisieren, denn mir hat dieser Aha-deshalb-Moment gefehlt, der Moment, in dem ich etwas verstehe, was ich vorher nicht verstanden habe, es gab nicht so wirklich Hinweise auf diesen einen Plottwist. Als ich das Buch vorhin nochmal grob durchgeblättert habe, sind mir zwar schon einige Hinweise aufgefallen, aber die waren zu versteckt oder zu unauffällig, als dass sie meine Aufmerksamkeit erregt hätten. Das ist zwar einerseits gut, weil die Überraschung so überraschender ist, anderseits bewirkt es aber eher einen „huch-wo-kommt-denn-das-her“-Effekt, weil ich diese Mini-Hinweise nicht in Erinnerung behalten habe. Zusätzlich sind mir auch noch ein paar Details aufgefallen, die sich widersprechen und keinen Sinn machen.

Das Buch war aber aufgrund des eher einfach gehaltenen Schreibstils sehr leicht lesbar, durch die vielen kurzen und teilweise unvollständigen Sätze wird diese düstere Atmosphäre auch nochmal verstärkt.

 Die Charaktere haben mir relativ gut gefallen und sie passen auch gut zur Story, rutschen aber teilweise sehr in Klischees ab (zum Beispiel Sarah und Anton). Von der Tiefe her sind sie nicht irgendwie atemberaubend, auch Kim nicht, aber ich denke, für einen Thriller reicht es.

Geliebt habe ich aber vor allem den Schauplatz West Highland Way, und sogar ich als absoluter Wander-Muffel habe ziemlich Lust bekommen, dort selbst mal langzuwandern.

Alles in allem kann ich euch das Buch trotz einiger Schwachstellen bezüglich der Spannung total empfehlen, auch für Leute, die eher wenige Thriller lesen. Wie auch schon „Searching Lucy“ würde ich es euch als Einstiegs-Thriller empfehlen.

Oh, und das Buch hat mich zum ersten Mal seit der Grundschule dazu gebracht, Mark Forster zu hören und es nicht komplett grausam zu finden. Ich mag seine Musik immer noch nicht, aber „Kogong“ passt einfach zum Buch.

Dieses Buch habe ich als Rezensionsexemplar von der Autorin bekommen, wodurch meine Meinung aber natürlich nicht beeinflusst ist.

Autorin: Christina Stein | Verlag: Sauerländer | Seiten: 351 | Dieses Buch besteht den Bechdel-Test | Buch hier kaufen

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Kommentare

Juuhuunnuu
Vor 3 Jahr

Der Buuuuuuuchschnitt!! <3 Und das Bild würdige ich sehr, aber weniger den Mark Forster-Ohrwurm, den ich jetzt immer bei „Du bist nicht tot, du bist dreivierteltot“ habe. Danke.

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